Der Humanistische Verband Deutschland hat Wahlprüfsteine an alle demokratischen Parteien des aktuellen Bundestags versendet. Sofern eingehend, veröffentlichen wir hier die entsprechenden Rückmeldung. Hier nun die Antworten der CDU/CSU:
1. Unsere Demokratie als wertvolles Gut braucht besonderen Schutz und Pflege. Sind Sie bereit, mehr staatliche Mittel in die Wissens- und Faktenvermittlung, neue (medien-)pädagogische Formate und neue Formen der Bürger*innenbeteiligung in der politischen Debatte und Lösungsfindung zu investieren?
Antwort: CDU und CSU wollen die politische Bildung insbesondere in der Jugendarbeit fördern. Beteiligung schafft Akzeptanz für Politik und unser demokratisches System. Das gilt umso mehr in einem Land, in dem Menschen mit unterschiedlichen Nationalitäten und kulturellen Prägungen leben. Wir setzen uns für eine Stärkung der politischen Bildung und Wertekunde ein: Nur wer weiß, wie Demokratie funktioniert, kann später auch demokratisch handeln. Deshalb sind für uns auch Vorhaben zur Wahrung der Erinnerungskultur eine dauerhafte Aufgabe. Mit der Stiftung „Orte der deutschen Demokratiegeschichte“ werden wir an historischen Orten Rückschau auf demokratische Sternstunden halten, um die Kräfte der Zivilgesellschaft und die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie zu stärken. Auch wollen wir das Bundesprogramm „Jugend erinnert“ ausbauen und die Zeitzeugenarbeit in das digitale Zeitalter führen.
2. Die soziale Ungleichheit hat durch die Pandemie weiter zugenommen. Riesige Vermögen stehen einer steigenden Zahl prekärer Verhältnisse gegenüber. Was unternehmen Sie zum Abbau solcher prekären Verhältnisse und der sozialen Kluft? Durch welche Maßnahmen werden Sie weiteren Sozialabbau verhindern?
Antwort: Die unionsgeführte Bundesregierung hat während der Corona-Pandemie insbesondere mithilfe des Kurzarbeitergelds hunderttausende Arbeitsplätze gesichert. CDU und CSU wollen nun diejenigen, die trotzdem ihren Job verloren haben, schnell wieder in Beschäftigung bringen. Dabei spielt nicht nur die Arbeitsvermittlung, sondern auch das lebensbegleitende Lernen eine entscheidende Rolle. Fort- und Weiterbildung sind der Schlüssel, um die vor uns liegenden Herausforderungen zu meistern. Wir starten daher eine Offensive zur beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende, um zum Beispiel Sprachkompetenzen und Ausbildungsfähigkeit zu verbessern. Die Anrechnung von Einkommen im SGB II wollen wir neu ausgestalten, um damit mehr Anreize zur Aufnahme einer Beschäftigung zu setzen und einen schrittweisen Ausstieg aus Hartz IV zu fördern. Hinzuverdienstregeln für Jugendliche und junge Erwachsene bis zum 21. Lebensjahr und während der Ausbildung zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss in Bedarfsgemeinschaften werden wir im Rahmen des Jugendschutzes ebenfalls deutlich ausweiten.
3. Das Klimaschutzgesetz ist weiterhin unzureichend. Es fehlen ausreichende Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität. Kürzlich hat der Bürgerrat Klima (buergerrat-klima.de) Empfehlungen zur Klimapolitik vorgelegt. Welche dieser Empfehlungen werden Sie in konkrete politische Maßnahmen umsetzen?
Antwort: Die Pariser Klimaziele sind für CDU und CSU die Grundlage für unsere internationale Verantwortung als Industrieland. Zum Erreichen brauchen wir innovative Technologien, wirtschaftliche Investitionen und ein koordiniertes Handeln von Politik, Industrie und Gesellschaft. Das von der unionsgeführten Bundesregierung auf den Weg gebrachte Klimaschutzgesetz wird dafür sorgen, dass Deutschland 2045 klimaneutral ist und damit einen entscheidenden Beitrag dafür leisten, dass die Pariser Klimaziele eingehalten werden. Für den Prozess hin zur Klimaneutralität wird es auf einen klugen Maßnahmenmix ankommen. Hierbei gilt es, sich alle Debattenbeiträge und Empfehlungen genau anzuschauen. Unser Ziel ist, die Treibhausgasemissionen Deutschlands bis 2030 um 65 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 1990 zu reduzieren, um dann auf einem konkret beschriebenen Pfad im Jahr 2040 88 Prozent Minderung und im Jahr 2045 Treibhausgasneutralität zu erreichen. Deutschland wird hier als Industrieland eine große Verantwortung übernehmen, damit bis 2050 weltweit CO2-Neutralität erreicht wird. In bestimmten Bereichen können Prozessemissionen kontinuierlich gesenkt, jedoch nicht vollständig vermieden werden. Wir werden daher Forschung, Entwicklung und Pilotprojekte unterstützen, um sicherzustellen, dass sie über sogenannte negative Emissionen in anderen Bereichen ausgeglichen werden können.
4. Über 60 Mio. Menschen sind auf der Flucht vor Hunger, Krieg und politischer Verfolgung. Werden Sie Fluchtursachen stärker bekämpfen, mehr Einwanderung ermöglichen und eine europaweite Asylpolitik mit schnellen und korrekten Entscheidungen ohne das gescheiterte Dublin-Verfahren umsetzen?
Antwort: CDU und CSU bekennen sich zum Grundrecht auf Asyl und den rechtlichen und humanitären Verpflichtungen Deutschlands und Europas. Unsere Politik steht im Zeichen einer wirksamen Ordnung und Steuerung von Migration. Für eine gezielte und gesteuerte Zuwanderung in den Arbeitsmarkt setzen wir weiterhin am Fachkräftebedarf von Mittelstand und Industrie an und berücksichtigen Qualifikation, Alter, Sprachkenntnisse, den Nachweis eines konkreten Arbeitsplatzangebotes und die Sicherung des Lebensunterhaltes. Davon zu trennen ist die Hilfe für Menschen in Not. Hier ist es uns wichtig, das Gemeinsame Europäische Asylsystem grundlegend zu reformieren. Wir brauchen gemeinsame Standards im europäischen Asylrecht und eine europaweite Harmonisierung der Aufnahmebedingungen – hinsichtlich Verfahren, Unterbringung und Versorgung. Wir sprechen uns für die Einrichtung von europäisch verwalteten Entscheidungszentren an den EU-Außengrenzen aus, in denen geprüft werden soll, ob ein Asylanspruch vorliegt oder nicht. Um Fluchtursachen zu bekämpfen, muss die Europäische Union mit den Hauptherkunftsländern die Zusammenarbeit weiter intensivieren.
5. Fast 30 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Kinderrechtskonvention hat der Bundestag erneut eine Aufnahme der Kinderrechte in das deutsche Grundgesetz versäumt. Werden Sie sich für Kinderrechte im Grundgesetz in einem eigenständigen Absatz, ohne unmittelbare Verknüpfung mit den Elternrechten, einsetzen?
Antwort: CDU und CSU ist ein wohlbestimmtes und ausgewogenes Verhältnis zwischen Kindern, Eltern und Staat sehr wichtig. Träger des Erziehungsrechts sind die Eltern. Der Staat hat hier eine ergänzende und nachgeordnete Funktion, die nur ausnahmsweise dort zum Tragen kommt, wo die Erziehung durch die Eltern ausfällt. Wir haben in der aktuellen Legislatur intensiv versucht, zu einer guten Einigung bezüglich der Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz zu kommen. Das ist leider nicht geglückt. Mit dem kalkulierten Scheitern der Verhandlungen wurde von Grünen und SPD eine wichtige Chance verspielt: Der bereits ausgehandelte Koalitionskompromiss hätte dafür gesorgt, dass Kinderrechte in der Verfassung sichtbar geworden wären, ohne die Rechte von Eltern zu schmälern. Die ausufernden Vorstellungen ganz besonders der Grünen, aber auch der SPD, waren allerdings mit uns nicht zu machen und hätten die Position des Staates zulasten von Familien gestärkt.
6. Die UN-Frauenrechtskonvention kritisiert seit Jahren den erschwerten Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland. Werden Sie, entsprechend der CEDAW-Maßgaben, Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des StGB neu regeln und eine ausreichende Versorgung bei Verhütung und Abbruch sichern?
Antwort: CDU und CSU bekennen sich zum christlichen Menschenbild, zum Schutz ungeborenen Lebens und zur Mitmenschlichkeit gegenüber Menschen in Notlagen. Betroffene Frauen müssen sich uneingeschränkt informieren können. Schwangerschaftsabbrüche sind eine Extremsituation für schwangere Frauen – häufig in einer existenziellen Notlage. Frauen brauchen in einer solchen Situation neutrale, medizinisch und rechtlich qualitätsgesicherte Beratung. Ärzte, die über Schwangerschaftsabbrüche informieren, dürfen daher nicht kriminalisiert werden. Zugleich wollen wir das Werbeverbot für Abtreibungen aufrechterhalten. Mit der Reform des § 219a StGB haben wir Rechtssicherheit im Interesse der Frauen geschaffen. Eine Änderung dieser Rechtslage ist nicht geplant.
7. Dreiviertel unserer Bevölkerung wollen ihr Leben notfalls selbst beenden können, auch mit Unterstützung anderer. Das BVerfG hat dies 2019 eindrücklich bestätigt. Sind Sie bereit, diesem Recht mit freiwilliger ärztlicher Unterstützung und Suizidkonfliktberatungsstellen zur Geltung zu verhelfen.
Antwort: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe halten CDU und CSU es für notwendig, eine gesetzliche Neuregelung zu erarbeiten. Ansonsten bestünde ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit, was die Wahrscheinlichkeit eines Missbrauchs der Suizidhilfe erhöhen würde. Dabei ist es uns wichtig, ein umfassendes Schutzkonzept zu erarbeiten, das die Würde des Menschen, seine wohlverstandene Selbstbestimmung und den Schutz des Lebens in den Mittelpunkt stellt. Auch strafrechtliche Aspekte spielen dabei eine Rolle: So halten wir ausdrücklich am Verbot der Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) fest und lehnen die aktive Tötung physisch oder psychisch schwerkranker Menschen ab. Die geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung sollte weiterhin grundsätzlich unter Strafe belassen werden. Die konkrete rechtliche Ausgestaltung des Schutzkonzepts wird im Verlauf der parlamentarischen und auch gesamtgesellschaftlichen Diskussionen näher zu bestimmen sein. Es ist uns wichtig, eine umfassende und ausführliche Debatte in Parlament und Gesellschaft zu führen.
8. Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sind laut GG gleichberechtigt. Neben Religionsvertretern finden im politischen Diskurs Vertreter*innen einer religionsfreien humanistischen Weltanschauung wenig Berücksichtigung. Werden Sie den Dialog mit humanistischen Weltanschauungen pflegen?
Antwort: CDU und CSU setzen sich für die grundgesetzlich garantierte Religions- und Weltanschauungsfreiheit aller Menschen ein. Diese Freiheit verstehen wir in einem positiven Sinne: Religionen sollen in der Öffentlichkeit eine starke Stimme sein. Dazu gehören der regelmäßige Austausch und der Dialog mit den verschiedenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften dieses Landes. CDU und CSU sprechen sich für den Dialog mit allen gesellschaftlich wichtigen Gruppen aus. Als Volksparteien ist es uns wichtig, keine Klientelpolitik zu betreiben, sondern alle relevanten Interessenvertretungen und deren Anliegen zu berücksichtigen, solange sie sich auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen.