DIE LINKE: Antworten auf die Wahlprüfsteine des HVD

Der Humanistische Verband Deutschland hat Wahlprüfsteine an alle demokratischen Parteien des aktuellen Bundestags versendet. Sofern eingehend, veröffentlichen wir hier die entsprechenden Rückmeldung. Hier nun die Antworten von DIE LINKE:

 

1) Unsere Demokratie als wertvolles Gut braucht besonderen Schutz und Pflege. Sind Sie bereit, mehr staatliche Mittel in die Wissens- und Faktenvermittlung, neue (medien-)pädagogische Formate und neue Formen der Bürger*innenbeteiligung in der politischen Debatte und Lösungsfindung zu investieren?

Antwort: Ja. DIE LINKE will vielfältiges freiwilliges Engagement besser unterstützen und die Barrieren für soziale Gruppen, die im Engagement unterrepräsentiert sind, senken. Wir wollen Strukturen ausbauen und sichern, die freiwillig engagierte Menschen unterstützen. Dazu gehört der barrierefreie Zugang zu Informationen. Wir wollen das Informationsfreiheitsgesetz zu einem Transparenzgesetz ausbauen. Mit öffentlichen Mitteln erstellte Informationen müssen im Sinne von Open Data kostenlos öffentlich zugänglich sein. Für eine zeitgemäße Demokratie müssen auf allen Ebenen und in allen Bereichen – von der europäischen, internationalen wie kommunalen Ebene bis hin zum Betrieb, zur Wirtschaft – mehr Mitbestimmung und Beteiligung geschaffen werden. Deshalb fordert DIE LINKE, dass Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide auch auf Bundesebene möglich sein müssen. Das Instrument der Bürger*innenräte, wonach zufällig geloste Menschen aus der Mitte der Gesellschaft Lösungen und Fragestellungen entwerfen, wollen wir unterstützen und fördern.


2) Die soziale Ungleichheit hat durch die Pandemie weiter zugenommen. Riesige Vermögen stehen einer steigenden Zahl prekärer Verhältnisse gegenüber. Was unternehmen Sie zum Abbau solcher prekären Verhältnisse und der sozialen Kluft? Durch welche Maßnahmen werden Sie weiteren Sozialabbau verhindern?

Antwort: DIE LINKE will hohe Vermögen und Erbschaften stärker besteuern. Statt einer Billigsteuer für Unternehmensgewinne wollen wir Profite – wie alle Einkommen – besteuern. Dafür wollen wir die Vermögensteuer wiedereinführen (1 Prozent auf Vermögen oberhalb von 1 Mio., progressiv ansteigend bis 5% ab 50 Mio., höhere Freibeträge für betriebsnotwendiges Vermögen). Die spezifischen Kosten der Corona-Krise wollen wir mit einer einmaligen Vermögensabgabe auf Vermögen oberhalb von 2 Mio. Euro decken. Die Zahlungen werden über 20 Jahre gestreckt. DIE LINKE zielt darauf, den Niedriglohn abzuschaffen: mit einem gesetzlichen Mindestlohn von 13 Euro und Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen. Statt unfreiwilliger Teilzeit wollen wir ein Recht auf Vollzeit. Leiharbeit und Minijobs überführen wir in gute, sozial abgesicherte Arbeitsverhältnisse. Mit unserm Klima-Job-Programm schaffen wir in den kommenden 10 Jahren mindestens 1 Mio. gute Arbeitsplätze. Durch Abbau von Überstunden und einer milden Arbeitszeitverkürzung auf 35 Wochenstunden entstehen 1 Mio. weitere Arbeitsplätze. DIE LINKE strebt mehr Investitionen in Bildung, Gesundheit und Wohnen an – unser Zukunftsinvestitionsprogramm umfasst 120 Mrd. Euro im Jahr. Das alles hilft, die Ungleichheit und prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse zu überwinden und stärkt den sozialen Zusammenhalt.


3) Das Klimaschutzgesetz ist weiterhin unzureichend. Es fehlen ausreichende Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität. Kürzlich hat der Bürgerrat Klima (buergerrat-klima.de) Empfehlungen zur Klimapolitik vorgelegt. Welche dieser Empfehlungen werden Sie in konkrete politische Maßnahmen umsetzen?

Antwort: DIE LINKE unterstützt die Empfehlungen des Bürgerrates Klima in allen Handlungsfeldern voll und ganz. Wir wollen bis 2035 Wirtschaft und Gesellschaft klimaneutral machen. Skeptisch sind wir allerdings beim CO2-Preis. Während er in den Sektoren Energie und Industrie sinnvoll sein kann, weil er CO2-intensive Produktion verdrängt, ist er in den Bereichen Mobilität und Wärme höchst unsozial. Das liegt daran, dass die Verbraucher:innen oftmals keine Alternative haben, etwa wenn sie mit Ölheizung zur Miete wohnen oder in einer Gegend ohne gut ausgebauten ÖPNV auf ihr Auto angewiesen sind. Besser geeignet in diesen Sektoren sind ordnungsrechtliche Vorgaben, wie ein Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor und fossil betriebenen Heizungen, hohe Effizienzvorgaben für Neubauten sowie verbindliche Sanierungspläne für Altbauten durch einen bundesweiten Klimacheck und eine Verdreifachung der Sanierungsquote. Außerdem braucht es massive Investitionen in die öffentliche Infrastruktur. Wir wollen den ÖPNV ausbauen und innerhalb von 5 Jahren flächendeckend kostenfrei machen; Bahnpreise wollen wir halbieren und Rad- und Fußverkehrs fördern.


4) Über 60 Mio. Menschen sind auf der Flucht vor Hunger, Krieg und politischer Verfolgung. Werden Sie Fluchtursachen stärker bekämpfen, mehr Einwanderung ermöglichen und eine europaweite Asylpolitik mit schnellen und korrekten Entscheidungen ohne das gescheiterte Dublin-Verfahren umsetzen?

Antwort: Nach Angaben des Hohen Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) waren Ende 2020 sogar 82,4 Millionen Menschen auf der Flucht. Die meisten von ihnen sind Binnenvertriebene, nur wenige schaffen es, in Europa oder anderen hochentwickelten Ländern um Schutz nachzusuchen. Vor diesem Hintergrund wirbt DIE LINKE für ein offenes und humanitäres Asylsystem in der EU, für sichere und legale Einreisewege für Schutzsuchende und für eine gerechte Verantwortungsteilung innerhalb der EU. Im Bundestag haben wir hierzu zahlreiche Vorschläge gemacht und Forderungen gestellt, zu denen auch die Überwindung des gescheiterten und in seinen Auswirkungen oft unmenschlichen Dublin-Systems gehört, vgl. z.B. die Anträge “Für eine offene, menschenrechtsbasierte und solidarische Asylpolitik der Europäischen Union” (Bundestagsdrucksache 19/577) und “Faire Asylprüfungen in der Europäischen Union sicherstellen – Keine Asylverfahren und Lagersysteme an den Außengrenzen” (Bundestagsdrucksache 19/27831). Die Zahl der Flüchtlinge weltweit wird sich nur durch eine wirksame Bekämpfung der Fluchtursachen reduzieren lassen. Das ist eine Binsenwahrheit, die jedoch keine bloße Parole bleiben darf, sondern konkrete Veränderungen nach sich ziehen muss. DIE LINKE will Waffenexporte verbieten, als erstes die Kleinwaffen, die die meisten Toten nach sich ziehen und deren Verbleib praktisch nicht kontrolliert werden kann. Auch bei den Weltwirtschaftsstrukturen, der Handels- und Subventionspolitik, bei Waffenexporten, der Klima-, Umwelt- und Entwicklungspolitik. Die EU ist nicht selten für Fluchtursachen mit verantwortlich, wie etwa die Auswirkungen der Exporte subventionierter Agrarprodukte und von Fischereiabkommen (Zerstörung regionaler Wirtschaften und Märkte) oder die umweltzerstörenden Folgen expansiven kapitalistischen Wirtschaftens weltweit zeigen. Eine Politik der Abschottung vor den Folgen des eigenen Handelns ist auch vor diesem Hintergrund nicht zu rechtfertigen.


5) Fast 30 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Kinderrechtskonvention hat der Bundestag erneut eine Aufnahme der Kinderrechte in das deutsche Grundgesetz versäumt. Werden Sie sich für Kinderrechte im Grundgesetz in einem eigenständigen Absatz, ohne unmittelbare Verknüpfung mit den Elternrechten, einsetzen?

Antwort: Ja. Das Vorhaben der Bundesregierung zur Aufnahme von Kinderrechten im Grundgesetz ist gescheitert. Die von der Bundesregierung gewählte Formulierung beinhaltete keine Stärkung der Kinderrechte und es drohte gar ein Rückfall hinter den erreichten Status Quo. Wir werden uns auch in der kommenden Wahlperiode für die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz in einem eigenständigen Absatz einsetzen. Eine Verknüpfung mit den Elternrechten lehnen wir ab. Für uns ist wichtig, dass sich der Trias aus Schutz, Förderung und Beteiligung ebenso in einer Formulierung im Grundgesetz wieder findet wie die vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohls.


6) Die UN-Frauenrechtskonvention kritisiert seit Jahren den erschwerten Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland. Werden Sie, entsprechend der UN-Maßgaben, Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des StGB neu regeln und eine ausreichende Versorgung bei Verhütung und Abbruch sichern?

Antwort: Ja. Die LINKE setzt sich für eine Streichung der Paragrafen 218 und 219 ein. Schwangerschaftsabbrüche sind Teil der Gesundheitsversorgung und müssen als solche entsprechend anderer medizinischer Versorgungsleistungen geregelt werden. Der praktische Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen muss erleichtert werden, indem die Beratungspflicht gestrichen und durch ein ausgeweitetes Beratungsangebot ersetzt wird. Kliniken müssen sicherstellen, dass sie Abbrüche anbieten können. Schwangerschaftsabbrüche müssen Teil der gynäkologischen Ausbildung sein. Verhütungsmittel gehören zum Grundbedarf der Gesundheitsversorgung und müssen daher für alle Menschen von den Krankenkassen übernommen werden.


7) Dreiviertel unserer Bevölkerung wollen ihr Leben notfalls selbst beenden können, auch mit Unterstützung Anderer. Das BVerfG hat dies 2019 eindrücklich bestätigt. Sind Sie bereit, diesem Recht mit freiwilliger ärztlicher Unterstützung und Suizidkonfliktberatungsstellen zur Geltung zu verhelfen?

Antwort: Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 26.02.2020 (2 BvR 2347/15 u.a) die im Jahr 2015 eingeführte Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (§ 217 StGB) für verfassungswidrig erklärt. Es hat dem Deutschen Bundestag als Gesetzgeber einen klaren Handlungsspielraum eröffnet und eine konsistente Ausgestaltung auch des ärztlichen Berufsrechts und des Betäubungsmittelrechts angemahnt. Abgeordnete der LINKEN Bundestagsfraktion haben sich daraufhin, zum Teil federführend, an unterschiedlichen Gesetzentwürfen zur Neuregelung der Sterbehilfe beteiligt. Zu der ethisch sensiblen Frage der Suizidassistenz haben wir als Partei keine einheitliche Position verabschiedet. Die Diskussion dazu wird aktuell auch in einer weltanschaulich plural zusammengesetzten Ethik-AG geführt, die den Parteivorstand beraten soll. Auch die Bundestagsfraktionen werden in den entsprechenden Abstimmungen ihren Abgeordneten wahrscheinlich auch in Zukunft keine Empfehlungen erteilen, sondern sie ihrem individuellen Gewissen anheimstellen.


8) Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sind laut GG gleichberechtigt. Neben Religionsvertretern finden im politischen Diskurs Vertreter*innen einer religionsfreien humanistischen Weltanschauung wenig Berücksichtigung. Werden Sie den Dialog mit humanistischen Weltanschauungen pflegen?

Antwort: Ja. DIE LINKE streitet für die Verwirklichung der Gleichberechtigung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in der Praxis. Wir pflegen den Dialog mit humanistischen Weltanschauungsgemeinschaften bereits jetzt und werden dies fortsetzen.

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HuGH | Humanistische Gemeinschaft Hessen