Der Internationale Tag der Menschenrechte am 10. Dezember erinnert an die Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte 1948 – ein historisches Dokument, das die Würde, Freiheit und Gleichheit aller Menschen betont.
Ein Artikel von HuGH Landessprecherin Christiane Herrmann, zuerst veröffentlicht auf www.diesseits.de
Heute ist mein Geburtstag – ein Tag, an dem ich innehalte, nachdenke und Wünsche formuliere. Doch mein größter Wunsch ist nicht materieller Natur. Ich wünsche mir, dass Menschen ohne Beschneidung ihrer Rechte in Frieden leben können. Passenderweise ist der 10. Dezember auch der Internationale Tag der Menschenrechte. Dieser Tag erinnert an die Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte 1948 – ein historisches Dokument, das die Würde, Freiheit und Gleichheit aller Menschen betont.
Doch wenn ich die aktuellen Nachrichten sehe, frage ich mich, wie viel von dieser Vision übriggeblieben ist. Menschenrechte werden weltweit mit Füßen getreten. In der Europäischen Union, die sich als Wertegemeinschaft versteht, erleben wir, wie das Asylrecht ausgehöhlt wird. Menschen werden in Transitzonen festgehalten, ohne offiziell eingereist zu sein – eine Praxis, die wie eine Masseninhaftierung wirkt.
In vielen Teilen der Welt ist die Lage noch düsterer. Frauen werden in Afghanistan von Bildung ausgeschlossen, in Iran für das Ablegen des Kopftuchs verfolgt, und in Uganda bedroht die Todesstrafe queere Menschen in einer Weise, die mich sprachlos macht. Diese Rückschritte schmerzen mich, denn ich glaube an eine Welt, in der niemand aufgrund von Geschlecht, Sexualität, Herkunft oder Überzeugung entrechtet werden sollte.
Besonders richtet sich mein Blick auf Syrien.
Die aktuellen Ereignisse dort sind erschütternd. Aleppo, einst eine blühende Metropole, ist erneut Schauplatz heftiger Kämpfe gewesen. Und der ehemalige Machthaber ist geflohen. Viele Syrer blicken trotzdem mit gemischten Gefühlen auf die Gruppe, die sich zwar von ihrer früheren Zugehörigkeit zu Al-Kaida distanziert hat, aber weiterhin Berichte über Folter und Unterdrückung politischer Gegner nach sich zieht.
Der Konflikt ist so vielschichtig wie das Land selbst. Kann es in Syrien Frieden geben? Meine Hoffnung ist das, doch der Realismus drängt sich dazwischen. Wenn Macht und Kontrolle im Vordergrund stehen, bleiben Menschenrechte oft auf der Strecke.
Trotzdem hoffe ich. Hoffnung bedeutet, daran zu glauben, dass die Menschen, die unter den Bomben und in den Lagern leben, eines Tages in Frieden zurückkehren können. Es ist ein Wunsch, der mich an meinem Geburtstag begleitet. Mein Geschenk an die Welt wäre, dass niemand mehr fliehen muss, weil er Kurde, Christ, Muslim oder einfach nur Mensch ist.
Doch es sind nicht nur diese fernen Krisen. Selbst in Europa, das sich als Hort der Demokratie versteht, zeigt sich eine gefährliche Entwicklung. Demonstrationen werden zunehmend unterdrückt – Versammlungsverbote, einst die Ausnahme, werden zur Regel. Die Erinnerungen an die Pandemie, als Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit eingeschränkt wurden, scheinen nachzuwirken.
Und dann ist da noch die Klimakrise. Der jüngste UN-Klimagipfel (COP29) hat wieder gezeigt, wie untrennbar Menschenrechte und Umweltschutz miteinander verbunden sind. Der Klimawandel trifft vor allem die Schwächsten – jene, die kaum Einfluss darauf haben, wie die Weltwirtschaft funktioniert. Doch statt die Nutzung fossiler Brennstoffe zu beenden, halten viele Staaten an ihnen fest. Ich frage mich: Wie können wir von Menschenrechten sprechen, wenn das Recht auf eine lebenswerte Umwelt verweigert wird?
Vielleicht ist es naiv, aber an meinem Geburtstag will ich mir diese Naivität erlauben. Denn ohne Hoffnung gibt es keinen Fortschritt. Und ohne den Glauben an die Menschenrechte bleiben sie ein bloßes Ideal.
Mein Geburtstag ist normalerweise ein Tag der Freude. Doch heute verspüre ich den Drang, mehr zu tun, als nur Kerzen auszupusten und Wünsche zu formulieren. Ich möchte daran erinnern, dass Menschenrechte nicht verhandelbar sind. Sie sind kein Privileg, das Regierungen nach Belieben entziehen können. Sie sind universell.
Mein Wunsch an diesem Tag ist es, dass wir alle lauter werden. Dass wir nicht schweigen, wenn Unrecht geschieht – sei es an den Außengrenzen Europas, in Gaza, Afghanistan oder hier bei uns. Die Menschenrechte gehören uns allen. Sie zu schützen, sollte nicht nur Aufgabe der Regierungen sein, sondern unsere gemeinsame Verantwortung.
„Genug ist nicht genug,
ich lass mich nicht belügen.
Schon Schweigen ist Betrug,
genug kann nie genügen“,
sang gestern Abend Konstantin Wecker in seinem Konzert in der Alten Oper Frankfurt.
Ich weiß, dass weder meine Stimme noch seine Stimme allein die Welt verändern werden. Aber wenn ich an meinem Geburtstag einen Wunsch frei habe, dann ist es dieser: Möge es mehr Menschen geben, die die Welt lauter, gerechter und mitfühlender machen.