Erschreckende Ahnungslosigkeit oder Arroganz der Macht?

Die Stellungnahmen der im Vorfeld zur Landtagswahl in Hessen von der Humanistischen Gemeinschaft Hessen (HuGH) angeschriebenen Parteien lassen – so sie überhaupt eingegangen sind – säkulare und humanistische Wähler*innen verzweifeln.

Die Humanistische Gemeinschaft Hessen K.d.ö.R. (HuGH) hat in diesem Frühjahr zehn Parteien ihre „Humanistischen Wahlprüfsteine“ mit der Bitte um Beantwortung zugesendet, neben CDU, SPD, den GRÜNEN, FDP und der LINKEN noch fünf weiteren, bislang nicht im Landtag vertretenen kleineren Parteien. Die Wahlprüfsteine drehen sich um Bildung in Schule und Universität, um Staatsleistungen, Feiertage und das allgemeine Verständnis weltanschaulicher Neutralität des Staates bei öffentlichen Veranstaltungen und Zeremonien.

Der Rücklauf war ernüchternd: Die beiden Parteien mit den größten Erfolgsaussichten CDU und – mit großem Abstand – SPD hielten es gar nicht erst für nötig zu antworten. Die beiden anderen demokratischen Parteien, die es sicher (GRÜNE) oder wahrscheinlich (FDP) in den Landtag schaffen werden, äußerten sich in einer Weise, dass aus Sicht der HuGH vom säkular-humanistischen Standpunkt aus eine Wahlempfehlung beim besten Willen nicht ausgesprochen werden kann.

Besonders verstörend war dabei die Stellungnahme der Regierungspartei Bündnis 90/Die Grünen. Obwohl die Grünen seit 2019 die Wissenschaftsministerin des Landes stellen, sprechen sie – gegen die Verfassung argumentierend – dem Weltanschauungsunterricht seine verfassungsrechtliche Verankerung und damit den grundgesetzlich verbrieften Anspruch auf Gleichbehandlung mit dem Religionsunterricht schlicht und einfach ab. Den Weltanschauungsunterricht Humanistische Lebenskunde gibt es laut den Grünen in Hessen nicht! Dabei ist das Gegenteil der Fall: Er wird seit Jahren von der HuGH erteilt, es werden sogar Abiturprüfungen an staatlichen Schulen in diesem Fach abgenommen.

Liest man die Rückmeldungen der Parteien, die aller Voraussicht nach nicht in den Landtag einziehen werden – wozu man nach allen Prognosen mittlerweile auch die LINKEN zählen muss – könnte man wieder Hoffnung schöpfen: Nicht nur die LINKEN und die Partei der Humanisten, sondern auch Piratenpartei und Volt antworten durchaus so, dass sie aus säkular-humanistischer Sicht wählbar erscheinen. Lediglich die Antwort der FREIEN WÄHLERN fällt hier aus dem Rahmen. Deren Antwort lädt jedoch eher zum Schmunzeln ein, als dass sie säkulare Humanist*innen ernsthaft in Erregung versetzen könnte.

Als Fazit lässt sich ziehen: Je näher sich eine Partei den Hebeln der Macht wähnt, desto weniger säkular positioniert sie sich. Besonders eklatant wird dies von CDU und SPD unter Beweis gestellt, die die Wahlprüfsteine der HuGH gänzlich ignoriert haben. Zudem zieht sich durch die Rückmeldungen der demokratischen Parteien, die Aussicht auf den Einzug in den Landtag haben, eine bemerkenswerte Unkenntnis und mangelnde Sensibilität bezüglich säkularer Themen wie ein roter Faden. Erschreckende Ahnungslosigkeit oder Arroganz der Macht? – Es kommt wohl beides zusammen.

Die Humanistischen Wahlprüfsteine der HuGH, die Rückmeldungen der Parteien sowie eine kommentierende Einordnung der Rückmeldungen sind hier  nachlesbar.

HuGH | Humanistische Gemeinschaft Hessen